Gezieltere Bekämpfung von Krebserkrankungen – Beginn einer neuen Ära?
Eine der wichtigsten und interessantesten Nachrichten vom diesjährigen 39. Kongress der American Society of Clinical Oncology (ASCO) im Juni ist: gen-basierte Behandlungsmethoden scheinen endlich nicht nur im Labor, sondern auch in der klinischen Anwendung wirksam zu sein.
Ein bis vor kurzem noch fern geglaubtes Ziel – Krebs zu einer beherrschbaren «chronischen» Krankheit zu verändern – scheint nach einer Periode mit vielen Rückschlägen nun näher gerückt zu sein.
Im Mittelpunkt des Interesses stand die Gruppe der «target-designed», biologisch gezielt wirkenden Substanzen wie z.B. Bevacizumab (Avastin‚, Roche/Genentech, Abstracts Nr. 3646, 975) und Cetuximab (Erbitux‚, Merck, Abstracts Nr. 1012, 1058, 2582), beides Wirkstoffe, die auf molekularer Ebene direkt in die Tumorentstehung eingreifen und damit ein unkontrolliertes Tumorwachstum verhindern. Beide Substanzen hemmen selektiv bestimmte an der Zelloberfläche verschiedener Tumoren überexprimierte epidermale Wachstumsfaktor – Rezeptoren (EGFR, VEGFR) und damit die Tyrosin-Kinase, ein Protein, das bei der Signalübermittlung in die Zelle eine entscheidende Rolle für das Wachstum vieler Tumorzellen spielt.
Aber auch für andere Angiogenesehemmer und monoklonale Antikörper wie Rituximab (Rituxan®, Roche), Erlotinib (Tarceva®, OSI/Roche) oder Gefitinib (Iressa®, AstraZeneca) wurden überzeugende Daten präsentiert.
So konnte zum ersten Mal in grossen klinischen Phase-II/III-Studien gezeigt werden, dass die Behandlung mit diesen neueren, «massgeschneiderten» Molekülen allein oder in Kombination mit «konventionellen» Zytostatika die Prognose, insbesondere bei bisher als schlecht oder gar nicht behandelbar geltenden fortgeschrittenen Tumoren, wie z.B. kolorektalen Tumoren (CRC) oder nichtkleinzelligen Bronchialkarzinomen (NSCLC), deutlich verbessern kann.
In Kombination mit konventioneller Chemotherapie (z.B. Irinotecan oder Oxaliplatin, IFL, FolFox) gegeben können beide Substanzen die weitere Entwicklung des Tumors in vielen Fällen stoppen, bei einigen Patienten geht der Tumor sogar zurück. Siehe Tabelle 1
Die vorgestellten klinischen Ergebnisse beim fortgeschrittenen kolorektalen Karzinom (CRC) oder nichtkleinzelligen Bronchialkarzinom (NSCLC) sind um so beeindruckender, als es sich hier um Tumore handelt, die auf eine Standard-Chemotherapie nicht mehr ansprechen.
Zwar konnte bisher noch mit keiner dieser Substanzen eine Heilung des Tumors erreicht werden, sicher scheint jedoch schon jetzt, dass viele betroffene Patienten trotz weit fortgeschrittener metastasierender Tumoren länger überleben und die ihnen verbleibende Zeit mit mehr Lebensqualität verbringen können. Diese Erkenntnisse werden wahrscheinlich die zukünftige klinische Praxis grundlegend verändern und damit auch vielen Patienten Anlass zu neuer Hoffnung geben.
|