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Telepathologische Diagnose von kolorektalen Polypen

Interobserver Übereinstimmung und Vergleich mit konventioneller Betrachtung der Schnittpräparate unter dem Mikroskop.

Titel

Offline telepathology diagnosis of colorectal polyposis: a study of interobserver agreement and comparison with glass slide diagnoses.

 

Autoren

Cross SS, Burton JL, Dubé AK, Feeley KM, Lumb PD, Stephenson TJ, Start RD.

 

Quelle

J Clin Pathol 2002;55:305-308

 

Abstract

 

 

Fragestellung 

Aufgrund technologischer Fortschritte konnten Telepathologiesysteme mit hoher Farbbildqualität und gleichzeitig vernünftigen Übermittlungszeiten entwickelt werden. Mit der Verfügbarkeit dieser Systeme wächst die Notwendigkeit von Bedarfsanalysen zum Gebrauch solcher Systeme und der Kenntnisse der menschlichen Faktoren, die für deren Gebrauch wichtig sind. Diese Studie untersucht die Reproduzierbarkeit und die Genauigkeit der Erstdiagnose von Routine Histologiepräparaten unter Verwendung eines sogenannten «offline» bzw. «store and forward» Telepathologiesystems im Vergleich zu konventionellen Schnittpräparaten.

 

Hintergrund

Ursprüngliche Anwendungen von Telepathologie konzentrierten sich auf sogenannte «realtime» Telepathologiesysteme. Sie wurden in Spitälern eingesetzt, welche keine Histopathologen vor Ort hatten und eine Ferndiagnose von Gefrierschnitten mittels Telepathologie durchführen liessen oder in Zentren, in denen eine Expertenmeinung zur Zweitbeurteilung oder Fortbildung unmittelbar eingeholt wurde. Die Anwendung dieser realtime Systeme ermöglichen eine direkte Interaktion, eine Konsultation benötigt aber oft bis zu 20 min. pro Fall und dauert damit deutlich länger als eine konventionelle Beurteilung von Histologiepräparaten.

 

Eine Alternative sind die sogenannten offline bzw. «store and forward» Telepathologiesysteme, bei denen die Bilder aufgenommen und dem beurteilenden Pathologen zugesandt werden. Die Beurteilung erfolgt zu einem anderen Zeitpunkt, demnach können Aufnahmen oder Einstellungen nicht mehr verändert werden. Der Vorteil dieser Systeme besteht darin, dass der beurteilende Pathologe unabhängig vom Sender arbeiten kann, dadurch könnte die Geschwindigkeit erhöht werden und die Anwendung verbessert werden.

 

Es gibt Studien zur offline Pathologie bei Zweitmeinungsfällen, bei denen eine vernünftige Konkordanz zwischen der Telepathologie und der konventionellen Präparatbetrachtung der Objektgläser unter dem Mikroskop gefunden wurde (k = 75%).

 

Bisher wurden noch keine Studien zum Thema Telepathologie und Erstdiagnose für Routine Präparatuntersuchungen publiziert.

 

Methoden

Studiendesign

Randomisierte Studie.

 

Setting

Aus der Pathologieabteilung des Royal Hallamshire Hospitals wurden ab April 1988 konsekutiv hergestellte Fälle gesammelt und untersucht: Es wurden 100 Histologiepräparate von endoskopisch resezierten kolorektalen Polypen ausgewählt, welche primär als hyperplastische Polypen oder als tubuläre, villöse oder tubulovillöse Adenome klassifiziert wurden. Pro Fall war ein Präparat in HE (Haematoxyllin und Eosin) Färbung vorhanden.

 

Zufälligerweise waren genau 50 Fälle von beiden histologischen Typen während der Einschlusszeit eingetroffen. Fünf Untersucher (drei ausgebildete Pathologen und zwei auszubildende Pathologen, mit 40 bis 223 Monaten Erfahrung in Histopathologie) erhielten die Präparate in der Reihenfolge, wie sie im Labor eingetroffen waren zur Beurteilung. Nach der Lichtmikroskopischen Beurteilung musste jeder Fall in eine der beiden Kategorien, hyperplastisch oder adenomatös, eingeordnet werden. Eine Beurteilung von weiteren Kriterien wie z.B. Dysplasiegrad, Vollständigkeit der Exzision (im Gesunden) oder Vorhandensein von Stiel Invasion wurde nicht verlangt. Die Zeit zur Ermittlung der Diagnose wurde pro Fall aufgezeichnet.

 

Ausschlusskriterien

Präparate von hyperplastischen Polypen mit Sägeblattaspekt wurden ausgeschlossen.

 

Intervention

18 Monate später wurden die gleichen Polypen den gleichen Untersuchern als offline Telepathologie Bilder an einer Telepathologie Arbeitsstation (PathSight, Fairfield Imaging Limited, Tunbridge Wells, Kent, U.K.) zur Beurteilung gezeigt.

 

Die Bilder wurden durch einen weiteren Pathologen nach einem vorgeschriebenen Protokoll mit einer Kompressionsrate von 1:26 und einer Auflösung von 1’024 auf 768 Pixel in 24 bit rot-grün-blau Farben im JPEG-Format gespeichert. Für jeden Fall wurden 6 Bilder hergestellt: Eine Grossaufnahme des Identifikationsfensters, um das Bild eindeutig zuordnen zu können, ein Übersichtsbild des gesamten Materials auf dem Objektträger, zwei Bilder des Polypepithels mit 2.5facher Vergrösserung und zwei Bilder des Polypepithels mit 10facher Vergrösserung. Jeder Fall wurde als separates Dokument gespeichert. Beim Laden eines Dokumentes im Telepathologiesystem erschienen die 6 Bilder in Kleinformat am unteren Bildrand und konnten im Hauptfenster mittels Mausklick vergrössert dargestellt werden. Ein Fenster auf der rechten Seite des Bildschirms zeigte die Position des vergrösserten Bildes in bezug auf das gesamte Bild. Die Bilder wurden auf einem 18 Zoll Flachbildschirm Monitor in einer normalen Büroumgebung mit normalem Lichteinfall projiziert.

 

Die Präsentationsreihenfolge wurde randomisiert. Keiner der Untersucher hatte Erfahrung im Telepathologiebereich und erhielt eine 15-minütige Übungslektion mit 10 zusätzlichen Fällen. Die Diagnosekategorien waren identisch zur konventionellen Beurteilung. Die Zeit zwischen Start der Bildbetrachtung und Festhalten der Diagnose wurde erneut gemessen.

 

Primäre Endpunkte

Die Übereinstimmung der Diagnosen aller Untersucher bezüglich Beurteilung konventioneller Präparate, offline Telepathologie und des Konsensus wurden mittels k-Statistik mit 95% Konfidenzintervallen festgehalten.

 

Sekundärer Endpunkt

Dauer der Beurteilung.

 

Resultate

Die Zeit für eine Diagnosestellung mittels offline Telepathologie betrug im median 5 Sekunden und war signifikant kürzer (p < 0.0005), als die benötigten 13 Sekunden zur Diagnosestellung anhand von konventionellen Präparaten: Siehe Tabelle 1

 

Die Durchschnittszeit für die Herstellung der Bilder für die einzelnen Fälle betrug 210 Sekunden (112-478 Sek.) pro Fall.

 

Die k-Statistik für die interobserver Übereinstimmung war sehr gut und betrug 0.90-1.00. Die Übereinstimmung waren für offline Telepathologie signifikant höher, als bei Diagnosen anhand von konventionellen Präparaten (p = 0.001), bei denen die interobserver Übereinstimmung bei 0.84-0.98 lag.

 

Bei den Objektträgerdiagnosen hatten 90 Fälle einen einstimmigen Konsensus, 6 Fälle hatten eine 4:1-Mehrheit und 4 Fälle eine 3:2-Mehrheit. Bei der offline Telepathologie hatten 96 Fälle einen einstimmigen Konsensus und 4 Fälle hatten eine 4:1-Mehrheit.

 

Die Übereinstimmung zwischen den Konsensusdiagnosen der offline Telepathologie und den konventionellen Präparaten war mit einem k von 0.94 (0-87-0.99) sehr gut.

 

Diskussion durch die Autoren

Die Studie zeigt, dass für eine ganz spezifische Fragestellung (Einteilung in zwei Kategorien - Hyperplasie bzw. Adenome bei resezierten, kolorektalen Polypen) die Fertigkeiten für den Gebrauch eines Telepathologiesystems vom Untersucher in 15 Minuten erlernt, dass Diagnosen durch statische Bilder innert Sekunden gemacht werden können und die Diagnosen gut reproduzierbar sind (k = 0.99-1.00).

 

Die Befunde repräsentieren wahrscheinlich das maximale Niveau an Durchführbarkeit, bezüglich Wiedergabe und Geschwindigkeit, das mittels eines Telepathologiesystems erreicht werden kann. Die Höhe dieses Niveaus weist darauf hin, dass viel Potential für die Telepathologie im Rahmen der histopathologischen Diagnostik vorhanden ist.

 

Die Resultate dieser Studie geben zusätzlich einen Einblick in den Diagnoseprozess in diesem Gebiet. Die kurze Zeit für die Diagnosefindung mittels Telepathologie (im Durchschnitt 5 Sekunden inklusive Identitätskontrolle des Falls und Aufschreiben der Diagnose) weist darauf hin, dass die Unterscheidung in zwei Diagnosekategorien mittels Erkennungsparametern und nicht mit heuristischen Algorithmen gestellt wird.

 

Die Feststellung, dass die interobserver Übereinstimmung der Telepathologie Bilder grösser war, deutet darauf hin, dass der Prozess der Bildbetrachtung bei den konventionellen Präparaten eher die Gefahr einer Fehldiagnose birgt als die Diagnose mittels Telepathologie. Bei der Betrachtung eines konventionellen Präparates muss der Pathologe das Mikroskop betätigen, um das gesamte Bild zu beurteilen und kann nicht die gesamte Gewebeprobe auf einem Bild betrachten. Fehler können sich einschleichen, indem der Pathologe nicht das gesamte Bild betrachtet, entweder aus eigenem Gutdünken oder wegen mangelnder Kontrolle, welche Gebiete des Präparates bereits betrachtet worden sind. Der Pathologe muss ein Gebiet auswählen und vergrössern, um zusätzliche Informationen herauszulesen, wie z. B. Epitheltyp in einem kolorektalen Polypen. Die statischen Bilder in dieser Studie schlossen Auswahlfehler aus, indem das gesamte Material mit einer 2.5fachen Vergrösserung aufgenommen wurde und ein Gesamtbild generiert wurde. Die Auswahl der Bildvergrösserungen wurde durch einen erfahrenen Histopathologen getroffen und ist dadurch besser reproduzierbar als bei einem weniger erfahrenen Auszubildenden. Die eingeschränkte Auswahl der Telepathologie Bilder könnte zu einem höheren Grad an interobserver Übereinstimmung aber zu einem tieferen Grad an Genauigkeit führen als bei der konventionellen Diagnostik, falls ein Gebiet ausgewählt wird für die Vergrösserung, welches zu einer Fehldiagnose führt. In unserer Studie ist es unwahrscheinlich, dass irreführende Bilder ausgewählt worden sind, weil nur hyperplastische und adenomatöse Polypen eingeschlossen wurden und weil das Epithel in diesen Diagnosekategorien ausschlaggebend ist.

 

Der hohe Grad der Reproduzierbarkeit und Geschwindigkeit bei der Diagnosestellung in dieser Studie deutet darauf hin, dass die offline Telepathologie ein geeignetes Medium für Routine Diagnostik in der Histopathologie sein kann. Es sind aber weitere Arbeiten nötig, um die jeweiligen Arbeitsprotokolle zu definieren.

 

Die Zeit von 210 Sekunden, die pro Fall benötigt wurde, um die Bilder aufzunehmen war nicht unverhältnismässig lang. Da diese Bilder aber von einem erfahrenen Pathologen gemacht wurden, hätte er die Diagnose in einer deutlich kürzeren Zeitspanne direkt stellen können. Ein Einsatz dieser Methode scheint fragwürdig, wenn ein erfahrener Pathologe in Spital zur Verfügung steht, um die Erstdiagnose zu stellen. Ein sinnvoller Einsatz der Telepathologie wäre z.B. in Ländern, v.a. in Grossbritannien, wo einen Mangel an ausgebildeten Histopathologen besteht und in Spitälern keine oder sehr wenige Histopathologen diese Dienstleitung erbringen können. Dieses Problem sucht man derzeit zu verbessern, indem die Präparate an ein histopathologisches Institut geschickt werden.

 

Diese Studie deutet darauf hin, dass die offline Telepathologie eine schnellere und möglicherweise genauere Alternative sein könnte. Die Bilder könnten durch einen ausgebildeten Techniker nach einem gut definierten Protokoll für jede Gewebeprobe aufgenommen werden. Es sind dabei keine Qualitätseinbussen der Übersichtsbilder zu erwarten, es bestünde aber die Gefahr, das weniger repräsentative Vergrösserungen ausgewählt werden. Dieser Umstand müsste in weiteren Studien untersucht werden. Falls die Auswahl der stärkeren Vergrösserung durch einen Techniker, anstatt durch einen Histopathologen eine schlechtere Genauigkeit ausweist, könnte ein zusätzlicher Arbeitsschritt hinzugefügt werden, indem ein Histopathologe gewisse Gebiete auf dem Übersichtsbild markierte, welche er gerne in einer stärkeren Vergrösserung sehen würde. Die zusätzlichen Bilder würden dann angefertigt und erneut dem Pathologen zur Verfügung gestellt.

 

Ein weiteres Einsatzgebiet der offline Telepathologie könnte die Besprechung im Zentrumsspital für Fälle sein, bei denen keine Unsicherheit über die histopathologische Diagnose besteht, wo aber eine Bestätigung der Therapiewahl, am peripheren Spital durch Diskussion im interdisziplinären Team, erwünscht ist (Calman-Hine Modell).

 

Offline Telpathologie könnte sinnvollerweise auch bei der Doppelbefundung von Untersuchungen, einer Qualitätssicherungsmassnahme, die in gewissen Gebieten der Radiologie bereits Routine ist, eingesetzt werden. Der zusätzliche Arbeitsaufwand für eine zweite Befundung könnte durch die Telepathologie minimiert werden.

 

Zusammenfassender Kommentar

Diese Arbeit gibt einen guten Einblick in die Möglichkeiten und Limitationen eines offline Telepathologiesystems. Der grosse Vorzug der Studie ist die hohe methodologische Qualität welche durch ein stringentes Studiensetting erreicht werden konnte. Leider liegt darin auch die Haupteinschränkung, da die Generalisierbarkeit, d.h. die Übertragbarkeit der Resultate auf andere Bereiche der pathologischen Diagnostik, fraglich ist.

 

Es zeigt sich, dass Telepathologiesysteme in definierten Situationen signifikante Vorteile bieten können, dass letztendlich aber die Balance zwischen Aufwand und Ertrag über den Einsatz entscheiden wird.

 

 

Besprechung von Dr. med. Gianna Di Cienzo und Dr. med. Serge Reichlin, Medgate, Basel

 

J Clin Pathol 2002;55:305-308 - S. S. Cross et al

16.02.2004 - dde

 
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