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Antibiotika beim akuten Schub einer chronischen Bronchitis

Nachweis neuer Bakterienstämme im Respirationstrakt und Assoziation mit einer Exazerbation der COPD.

Titel

New Strains of Bacteria and Exacerbations of Chronic Obstructive Pulmonary Disease.

 

Autoren

Sanjay Sethi, M.D., Nancy Evans, R.N., Brydon J.B. Grant, M.D., and Timothy F. Murphy, M.D.

 

Quelle

NEJM, 2002 347:465-471

 

Abstract

 

 

Fragestellung 

Was bedeutet der Nachweis von Bakterien im Respirationstrakt für das Risiko einer Exazerbation einer chronischen Bronchitis?

 

Hintergrund

Exazerbationen einer chronisch obstruktiver Lungenerkrankung (COPD) führen oft zu kostenintensiven Komplikationen und zur Verschlechterung der Grunderkrankung. Die Auslöser solcher Exazerbationen sind nach wie vor unklar, akute Infekte der oberen Luftwege wurden immer wieder diskutiert. Vor mehr als 20 Jahren wurde gezeigt, dass man bei Patienten mit COPD sowohl während den symptomlosen Phasen wie auch während dem akuten Schub der Bronchitis die gleichen Bakterien im Sputum nachweisen kann. In der Folge geriet die antibiotische Therapie einer Exazerbation der COPD etwas in Verruf. Dennoch bestätigt die klinische Erfahrung, dass im akuten Schub mit eitrigem Auswurf eine antibiotische Therapie nicht ohne Effekt bleibt.

 

Die vorliegende Studie geht einen Schritt weiter und untersucht die Hypothese, ob Infektionen mit neuen Stämmen der gleichen Bakterien mit akuten Exazerbationen assoziiert sind.

 

Methoden

Studiendesign

Prospektive klinische Beobachtung.

 

Setting

Ambulante Patienten mit COPD einer einzelnen Klinik in New York, monatlich untersucht (Klinik, Sputum, Serum).

 

Einschlusskriterien

Chronische Bronchitis.

 

Ausschlusskriterien
  • Asthma Bronchiale
  • Bronchiektasen (klinisch)
  • Immunosuppressive Therapie
  • Lebensbedrohliche Erkrankungen
Untersuchungen

Bei jeder monatlichen Routineuntersuchung wurde klinisch erfasst, ob es sich um eine Exazerbation handelte oder nicht.

 

Bakteriologische Sputumuntersuchungen erfolgten ohne Kenntnis des klinischen Zustandes der Patienten. Mittels Standardverfahren wurde das Sputum kultiviert. Hämophilus influenzae, Moraxella catarrhalis, Streptokokkus pneumoniae, Pseudomonas aeruginosa, Staphylokokkus aureus und andere gram-negative Stäbchen wurden als potenziell pathogene Keime angesehen. Beim Nachweis einer der vier erstgenannten Bakterien wurden diese Stämme für die weitere Typisierung asserviert. Die Typisierung erfolgte durch molekulare Methoden (PFGE für alle ausser H. influenzae, polylakrilamid-Gel bei H. influenzae). Im Rahmen einer Voruntersuchung anhand einer Stichprobe wurde gezeigt, dass während einer Exazerbation immer nur ein Stamm eines Bakteriums im Sputum nachweisbar ist.

 

Statistische Auswertung

Bei jedem Nachweis eines Bakteriums wurde mittels Typisierung entschieden, ob es sich um ein neues oder früher schon vorhandenes Bakterium handelte. Bei jedem Nachweis eines neuen Bakterienstamms wurde das relative Risiko einer Exazerbation bestimmt (basierend auf der gesamten Zahl von Exazerbationen bei gleichem Keimnachweis).

 

Beobachtungsdauer

Die Beobachtung dauerte im Mittel 56 Monate.

 

Resultate

Basisdaten

Insgesamt wurden 1’975 klinische Untersuchungen an 81 Patienten durchgefuhrt. Bei 374 Untersuchungen (2.1 pro Jahr) lag eine Exazerbation der COPD vor.

 

Gruppenvergleich der Endpunkte

Eine Exazerbation fand sich für 33% der klinischen Visiten bei welchen ein neuer Bakterienstamm molekularbiologsich nachgewiesen wurde. Unter allen Visiten ohne Nachweis eines «neuen» Bakteriums wurde nur in 15% eine Exazerbation beobachtet
(p < 0.001, RR 2.15; 95% CI: 1.83-2.53).

 

Wird diese Untersuchung nach Bakterien aufgeschlüsselt, ergibt sich ein signifikantes Resultat für H. influenzae (RR 1.69, 1.37-2.09), M. catarrhalis (RR 2.96, 2.39-3.67) und S. pneumoniae (RR 1.77, 1.14-2.75). Die gleiche Analyse für P. aeruginosa ergab keinen signifikanten Unterschied, allerdings wurden nur 3 Episoden mit neuen P. aeruginosa-Stämmen beobachtet (n = 38, 41 und 8 für H. infl, M. catar. und S. pneum).

 

Diskussion durch die Autoren

Es zeigte sich eine deutliche Assoziation des Nachweises neuer Bakterienstämme im Sputum mit der klinischen Exazerbation. Eine solche Assoziation ist noch kein Beweis für einen kausalen Zusammenhang. Dennoch, zusammen mit anderen neueren Resultaten unterstützt die Studie Hypothesen zum kausalen Zusammenhang der Exazerbation der COPD mit einer bakteriellen Infektion der oberen Luftwege. Zu diesen neuren Daten gehören: Der Nachweis einer erhöhten Inzidenz von Entzündungen der oberen Luftwege bei Exazerbation, die Ausbildung einer Stamm-spezifischen Immunantwort gegen die nachgewiesenen Keime im Sputum, sowie der Nachweis von Bakterien in hoher Konzentration während der Exazerbation.

 

Die Autoren spekulieren, dass Exazerbationen von COPD durch Infektionen mit neuen Bakterienstämmen erfolgen, dass diese Bakterien dann im natürlichen Verlauf durch die Immun-Antwort kontrolliert werden und die Exazerbation damit unter Kontrolle gerät.

 

Zusammenfassender Kommentar

Die Studie ist ein wesentlicher Beitrag für unser Verständnis der Exazerbation der chronischen Bronchitis. Die alten Daten aus den 70er Jahren können nun besser interpretiert werden. Was früher als Nachweis der «gleichen» Bakterien galt und damit als Argument gegen eine antibiotische Therapie verstanden wurde, konnte durch die Anwendung moderner Methoden relativiert werden. Zusammen mit den weiteren Hinweisen darf doch damit gerechnet werden, dass Exazerbationen von COPD oft, wenn nicht immer, durch Infektionen mit neuen Bakterienstämmen hervorgerufen werden.

 

Die Verbesserung unseres pathophysiologischen Verständnisses der COPD heisst nun nicht, dass eine antibiotische Therapie bei jeder Exazerbation indiziert sei. Auch dafür fehlen uns noch die notwendigen Studien. Klärung braucht es insbesondere noch bei der richtigen Definition und Diagnostik einer Exazerbation und auch für die Indikation und die optimale Dauer einer antibiotischen Therapie.

 

 

Besprechung von PD Dr. med. Pietro Vernazza, Infektiologie und Spitalhygiene, KSSG, St. Gallen

 

NEJM, 2002 347:465-471 - S. Sethi et al

12.02.2004 - dde

 
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