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Zelluläre Therapie der akuten Myokardischämie

Bei der akuten Myokardischämie (aMI) führt der Verschluss eines Koronargefässes zu einer Minderdurchblutung des Myokards und konsekutiv häufig zum Absterben von Herzmuskelgewebe. Kathetergestützte rasche Wiedereröffnung des Koronargefässes oder intravenöse Thrombolyse stehen bei der Behandlung der aMI im Vordergrund. Als potenziell komplementärer Therapieansatz hat die Zelltherapie zum Ziel, eine optimale Neovaskularisation des Ischämiegebietes zu erreichen.

 

Im Blut zirkulieren pluripotente hämatopoietische Stammzellen, welche sich in Endothelzellen differenzieren können. Diese Endothelvorläuferzellen (EndV) stammen aus dem Knochenmark und werden durch Ischämie induzierte Faktoren vermehrt ins Blut ausgeschwemmt (Mobilisation). Vom Blut treten die EndV am Ort der Ischämie ins Gewebe (Homing), wo sie sich in Endothelzellen differenzieren und Bestandteil der neugebildeten Mikrovaskulatur im Ischämiegebiet sind [1,2]. Im Tierexperiment führt dies zu einer besseren Durchblutung und Funktion des Herzmuskelgewebes[2]. Nebst diesem direkten Effekt der EndV, weisen neuere Daten darauf hin, dass die ins Gewebe austretenden Zellen ebenfalls einen parakrinen Effekt auf die Neovaskularisation des Ischämiegebietes haben [3,5]. Die Grundlagenforschung ist bemüht, die molekularen Mechanismen der Mobilisation, des Homing, der Differenzierung sowie des parakrinen Effektes zu verstehen.

 

Mobilisation-Homing-Differenzierung

Die Mobilisation von Stammzellen wird durch Wachstumsfaktoren, Adhäsionsmoleküle und lösliche Zellrezeptoren reguliert. Eine Ischämie führt zu vermehrter Zirkulation von EndV mittels obengenannter Regulationssysteme. Im Tiermodell zeigte sich, dass der vascular endothelial growth factor (VEGF) ein potentes Zytokin zur Mobilisation von EndV ist [6]. Klinische Studien dokumentierten, dass eine Therapie mit VEGF-Plasmiden zu einer transienten Erhöhung der zirkulierenden EndV führt [7]. Andere Zytokine wie granulocyte-macrophage colony-stimulating factor, granulocyte colony-stimulating factor, angiopoietin-1 (Ang-1) stromal-derived factor-1a (SDF-1a) und placenta-derived growth factor führen ebenfalls zu einer vermehrten Mobilisation von EndV ins periphere Blut [8-10].

 

Das Homing von zirkulierenden Zellen in den Extravaskulärraum eines Ischämiegebietes ist ein komplexer Vorgang, der in drei Schritte unterteilt werden kann: Rolling, Adhäsion und transendotheliale Migration. Ein etabliertes Modell für den ersten Schritt ist eine schwache Adhäsion zwischen der im Blut zirkulierenden Zelle und der Gefässwand durch eine Selektin-Karbohydrat-Interaktion. Dieser initialen Interaktion wirkt die Scherkraft des zirkulierenden Blutes entgegen. Wenn die Scherkraft stärker ist, löst sich die Zelle wieder von der Gefässwand. Dieser Vorgang wiederholt sich, was zum Rollen der Zelle über die Gefässwand führt. In der Folge kommt es zu einer zweiten, stärkeren Interaktion von Adhäsionsmolekülen, wodurch das Rollen der Zelle gestoppt wird. Dieser Vorgang der Adhäsion wird durch Integrine vermittelt. Integrine beeinflussen ebenfalls den dritten Schritt der Extravaskularisation, die Zellmigration. Zusammen mit Chemokinen steuern die Integrine die gezielte transendotheliale Migration der Zellen in den Extravaskulärraum. Für das Homing von zirkulierenden EndV in ein Ischämiegebiet gibt es zur Zeit nur wenig experimentelle Daten. Bisher konnte gezeigt werden, dass SDF-1a eine Rolle in der transendothelialen Migration der EndV spielt [11]. Man kann sich vorstellen, dass ein besseres Verständnis der molekularen Vorgänge des Homing bei der Therapie des akuten Myokardinfarktes genutzt werden könnte.

 

Ein weiterer therapeutischer Ansatz wäre die Unterstützung der Differenzierung von zirkulierenden EndV zu Endothelzellen am Ort der Ischämie und dadurch die Gefässneubildung in einer Ischämiezone zu fördern. In experimentellen Studien konnten wir zeigen, dass Ang-1 die initiale Differenzierung von EndV reguliert [12]. Nachfolgend an die Differenzierung kommt es durch die Stimulation von Ang-2 zu einer verstärkten Neovaskularisation bzw. Gefässdichte im Ischämiegebiet [12].

 

Klinische Studien: Zelltherapie bei Patienten mit akuter Myokardischämie

Die vielversprechenden Resultate von Tierexperimenten führten zur Durchführung erster klinischer Studien (s. Tabelle 1: Zelltherapie bei Patienten mit akutem Myokardinfarkt). Stauer et al. isolierten Zellen aus dem Knochenmark und verabreichten die Zellen 5 bis 9 Tage nach dem akuten Myokardinfarkt mittels perkutaner Intervention ins Ischämiegebiet. Die Patienten mit Zelltherapie zeigten eine Steigerung des Schlagvolumens und eine bessere Perfusion des Infarktareals [13].

 

In der «Transplantation of Progenitor Cells and Regeneration Enhancement in Acute Myocardial Infarction» (TOPCARE-AMI) Studie wurde die Verabreichung von mononukleären Zellen aus dem Knochenmark mit ex vivo expandierten EndV aus dem peripheren Blut verglichen [14]. Die Zellen wurden den Patienten 4 Tage nach dem akuten Myokardinfarkt mittels perkutaner Intervention verabreicht. Verglichen mit einer nicht-randomisierten Kontrollgruppe zeigten beide Behandlungsgruppen eine Steigerung der systolischen linksventrikulären Funktion (EF) und eine Erhöhung der koronaren Flussreserve.

 

In der ersten randomisierten Studie wurden 60 Patienten mit akutem ST-Hebungsmyokardinfarkt eingeschlossen (BOOST-Studie) [15]. Alle Patienten erhielten eine akute Koronardilatation und wurden dann in zwei Gruppen randomisiert. Der Zelltherapiegruppe wurden mononukleären Zellen aus dem Knochenmark mittels perkutaner Intervention 4 bis 8 Tage nach dem akuten Myokardinfarkt verabreicht (eine Placebo Intervention konnte aus ethischen Gründen bei der Kontrollgruppe nicht durchgeführt werden). Nach 6 Monaten hatte die EF in der Zelltherapiegruppe signifikant um 6.7% zugenommen. Die eher geringe Zunahme der Auswurffraktion in der Kontrollgruppe von 0.7% kann durch die späte Bestimmung der Ausgangswerte 4 bis 8 Tage nach dem akuten Ereignis erklärt werden und ist vereinbar mit anderen Studien [16]. Im weiteren bestätigte die Studie, dass die Zelltransplantation sicher ist. Die Therapie hatte weder einen proarrythmogenen Effekt noch zeigte sich eine Zunahme von In-Stent-Thrombosen.

 

Die Limitation der publizierten Studien liegt sicherlich in den kleinen Patientenzahlen. Allen drei Studien gemeinsam ist die Verbesserung der Auswurffraktion (nur in der TOP-CARE-Studie und BOOST-Studie statistisch signifikant im Vergleich zur Kontrollgruppe). Da eine Revaskularisierungs-induzierte Zunahme der Auswurffraktion beim akuten Myokardinfarkt von 3% bis 4% beschrieben wurde [17], scheint es unwahrscheinlich, dass die grössere Zunahme der EF in den Studien alleine durch die zusätzliche perkutane Intervention zur Verabreichung der Zellen verursacht wird. Die Frage, ob die Funktionsverbesserung des Herzens durch die Neovaskularisation bedingt ist, bleibt offen. Alternativ könnten die transplantierten Zellen via parakrinen Mechanismen eine Regeneration von Myozyten verursachen.

 

Zusammenfassend scheint die Zelltherapie ein möglicher komplementärer Therapieansatz zur PCI zu sein. Damit dieses therapeutische Mittel in seinem vollen Umfang genutzt werden kann, braucht es jedoch ein besseres Verständnis der involvierten molekularen Mechanismen.

 

 

Dr. med. Patrick Hildbrand, Schweizer Herz- und Gefässzentrum Bern, Universitätsklinik Inselspital, Bern.



 
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