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Behandlung der Angst bei chronischer Depression

Eine Studie zur Wirksamkeit verschiedener Therapieformen auf die Angstsymptome bei chronisch depressiven Patienten.

Titel

Symptomatic and syndromal anxiety in chronic forms of major depression: effect of nefazodone, cognitive behavioral analysis system of psychotherapy, and their combination.

 

Autoren

Ninan PT, Rush AJ, Crits-Christoph P, Kornstein SG, Manber R, Thase ME, Trivedi MH, Rothbaum BO, Zajecka J, Borian FE, Keller MB.

 

Quelle

J Clin Psychiatry 2002 May;63(5):434-41

 

Abstract

 

 

Fragestellung 

Hat die kombinierte Behandlung (Psychotherapie + Nefazodon) eine bessere Wirkung auf die Angstsymptome bei Patienten mit einer chronischen Depression als Psychotherapie oder Nefazodon allein?

 

Hintergrund

Bei Patienten mit einer primären Diagnose einer Depression (Major Depressive Disorder, MDD) sind Angstsymptome und Angststörungen häufig: Bei zwei Dritteln der Patienten finden sich mässige Angstsymptome, bei 20-25% ist das Angstniveau hoch. Auch dysthymische Störungen gehen oft mit Angstsymptomen einher.

 

Gleichzeitig vorhandene Angststörungen gehen mit höherem Suizidrisiko, niedrigerem allgemeinem Funktionsniveau und schlechteren Ergebnissen bei der Behandlung der Depression einher. Verschiedene Antidepressiva haben die Neigung zu Behandlungsbeginn eher noch Angst zu induzieren.

 

Mehrere Studien haben die Wirksamkeit von Antidepressiva in der Behandlung von Angstsymptomen im Zusammenhang mit MDD dokumentiert. Alles in allem ist die Literatur jedoch dürftig und auf nicht-chronische Depressionen sowie pharmakologische Behandlung beschränkt.

 

Methoden

Die Publikation präsentiert eine weitere Analyse von Daten zur Behandlung der chronischen Depression (die Methodik der Studie wurde detailliert in einer früheren Publikation beschrieben). Die vorliegende Analyse fokussiert auf die spezifische Wirkung von Nefazodon allein oder in Kombination mit Psychotherapie auf die Angstsymptome im Rahmen einer chronischen Depression. Das hier angewendete Cognitive Behavioral Analysis System of Psychotherapy (CBASP) wurde spezifisch für chronische Depressionen entwickelt. Mit dieser Methode werden die Patienten angeleitet, die Konsequenzen ihres Verhaltens zu analysieren und soziale Problemlösungsansätze anzuwenden, um ihre zwischenmenschlichen Konflikte zu lösen. Die Therapie umfasst keine angstreduzierenden Verfahren. Sie unterscheidet sich von der Kognitiven Therapie durch ihren Fokus auf die zwischenmenschlichen Interaktionen, inklusive diejenige mit dem Therapeuten.

 

Studiendesign

Multizentrische, randomisierte, kontrollierte Studie über 12 Wochen. Das Randomisierungsverfahren ist nicht beschrieben. Die Daten wurden nach dem Intention-to-treat Prinzip analysiert. Zusätzlich wurde eine Subgruppenanalyse bei Patienten mit begleitenden Angststörungen durchgeführt.

 

Die Studie wurde von der Firma Bristol-Myers Squibb unterstützt.

 

Setting

Ambulante Patienten mit chronischer bzw. rezidivierender Depression aus 12 US-amerikanischen Zentren.

 

Einschlusskriterien 
  • 18-75-jährige ambulante Patienten
  • Major Depression (MDD) > 2 Jahre oder MDD bei vorbestehender dysthymischer Störung (double depression) oder rezidivierende Depression ohne vollständige Remission zwischen den Episoden und > 2 Jahre Gesamtdauer (gemäss DSM-IV Kriterien)
  • Score von > 20 auf der 24-item Hamilton Rating Scale for Depression (HAM-D-24) bei Screening und Basiswert
Ausschlusskriterien
  • Hohes Suizidrisiko
  • Psychotische Symptomatik oder Schizophrenie in der Anamnese
  • Bipolare Störung
  • Essstörungen innerhalb des letzten Jahres
  • Zwangsstörungen
  • Demenz
  • Antisoziale, schizotype oder schwere Borderline Persönlichkeitsstörungen
  • Primäre Angststörungen
  • Posttraumatische Belastungsstörung
  • Missbrauch oder Abhängigkeit von jeglichen Substanzen ausser Nikotin in den letzen 6 Monaten
Intervention

In Zusammenhang mit der Medikation fanden kurze wöchentliche Kontrollen statt:

  • Die Pharmakotherapie mit Nefazodon wurde begonnen mit 200 mg/d während einer Woche. Die Dosis wurde in der zweiten Woche auf 300 mg/d titriert, anschliessend wöchentlich um 100 mg/d erhöht (bis zu einer Höchstdosis von 600 mg/d), um eine maximale Wirksamkeit und Verträglichkeit zu erreichen.
  • Die Psychotherapie-Sitzungen (CBASP) wurden gemäss Manual durchgeführt (insgesamt 16-20 Sitzungen).
  • Die Anwendung von jeglichen Anxiolytika, Sedativa, Hypnotika oder irgendwelchen Schlafhilfen (pharmakologischen oder verhaltensorientierten) war während der ganzen Studie verboten.
Endpunkte

Die Messung der Angstsymptome wurde anhand der 14-item Hamilton Rating Scale for Anxiety (HAM-A) durchgeführt. Remission bezüglich Angst wurde definiert als Score < 8 auf der HAM-A.

 

Da die HAM-A stark somatisch gewichtet ist, wurde auch der 7-item HAM-A psychic anxiety factor bestimmt, der spezifisch psychische Angst erfasst.

 

Für die Selbstbeurteilung der Angst wurden einige spezifische Items aus dem Inventory for Depressive Symptomatology Self Report (IDS-SR-30) verwendet.

 

Ein Ansprechen auf die antidepressive Therapie wurde definiert als > 50% Abnahme im HAM-D-24 Score zwischen Basiswert und Endpunkt, zusätzlich sollte in der Woche 10 und 12 der Score < 15 liegen.


Beobachtungsdauer

12 Wochen.

 

Resultate

Basisdaten

Zwischen den Behandlungsgruppen zeigten sich keine signifikanten Unterschiede bei den demographischen Charakteristika. Das mittlere Alter lag bei 43 ± 10.7 Jahre, 65% waren Frauen.

 

Der mittlere Wert des HAM-A-Score lag bei 18.1 ± 6.1, HAM-D-24 bei 26.9 ± 5.0. Beide Basiswerte zeigten keine signifikanten Unterschiede zwischen den Behandlungsgruppen. Die beiden Scores korrelierten hoch miteinander (r = 0.59, p < 0.001).

 

Neben der Depression wiesen 123 Patienten die Diagnose einer sekundären Angststörung auf (primäre Angststörungen galten als Ausschlusskriterium). Diese Patienten waren gleichmässig auf die 3 Gruppen verteilt.

 

Patienten

Siehe Tabelle 1

 

Gruppenvergleich der Endpunkte (Gesamtgruppe)

Siehe Tabelle 2

 

Der zeitliche Verlauf der Testergebnisse wurde mittels spezieller statistischer Modelle (random coefficient models) analysiert. Eine ausführliche Darstellung der Resultate findet sich in der Originalpublikation. Es zeigte sich, dass sowohl die Kombinationstherapie als auch Nefazodon allein im Vergleich zur CBASP schneller zu einer Besserung der Angstsymptome führte.

 

Subgruppenanalyse bei Patienten mit begleitenden Angststörungen

Ähnlich wie bei der Gesamtgruppe erwies sich die Kombinationstherapie auch bei Patienten mit hohem Angstniveau als bedeutend wirksamer als die beiden Monotherapien (p < 0.001). Bei dieser Patientengruppe war aber auch die Monotherapie mit Nefazodon dem CBASP überlegen (p = 0.03).

 

Diskussion durch die Autoren

Laut Autoren unterstreicht diese Studie die Bedeutung, übliche Angstsymptome im Rahmen einer Depression von begleitenden Angststörungen zu unterscheiden. In der Gesamtgruppe der Patienten scheine es, als würden die Änderungen hinsichtlich Angst (gemessen an den Skalen) im Grossen und Ganzen mit Änderungen in der depressiven Symptomatik einhergehen. Laut Autoren ist dies auch wegen der hohen Korrelation zwischen den beiden Skalen (HAM-A und HAM-D-24) wenig erstaunlich. Alle drei Therapiearten haben eine positive Wirkung auf die Angstsymptomatik, wobei die Kombinationstherapie den Monotherapien klar überlegen ist. Kein Unterschied besteht hingegen in der Gesamtgruppe zwischen Nefazodon allein oder CBASP allein.

 

Wurden andererseits Patienten mit begleitenden Angststörungen analysiert, zeigte sich ein spezifischer Medikamenteneffekt, der besonders am HAM-A psychic anxiety factor sichtbar wurde. Hingegen ist der Effekt auf der HAM-A (Gesamtskala) und der IDS-SR-30 Skala weniger ausgeprägt, möglicherweise, weil diese zwei Skalen durch somatische Faktoren gewichtet sind. Bei dieser Patientengruppe war sowohl die Monotherapie mit Nefazodon als auch die kombinierte Behandlung bezüglich ihrer Wirksamkeit auf die Angststörungen dem CBASP durchwegs überlegen. Die schnellere anxiolytische Wirkung von Nefazodon im Vergleich zu CBASP könnte gemäss Autoren einerseits auf einer spezifischen neurochemischen Wirkung des Nefazodon beruhen, andererseits könnte CBASP anfänglich die Angst eher steigern, weil die Methode vorbestehende, unangepasste, zwischenmenschliche Gedanken und Verhalten aktiviert (CBASP umfasst keine Techniken, die spezifisch die Angst abbauen).

 

Die Autoren weisen selbst auf methodische Beschränkungen der Studie hin wie z.B. das Fehlen der Verblindung oder der Placebokontrolle. Zudem sei die Generalisierbarkeit der Ergebnisse wegen der hohen Anzahl von Ausschlusskriterien eingeschränkt.

 

Zusammenfassender Kommentar

In der vorliegenden Studie wurde der spezifische Einfluss verschiedener Behandlungstypen auf Angstsymptome bei chronisch-depressiven Patienten untersucht. Die Wirkung dieser Therapien auf die depressive Symptomatik wurde bereits früher publiziert und stand hier nicht im Zentrum. Für Diagnostik und Erfolgsmessung wurden etablierte Testinstrumente eingesetzt. Um einen möglichen spezifischen Effekt des Antidepressivums zu untersuchen, wurden begleitende Angststörungen von üblichen Angstsymptomen im Rahmen der Depression unterschieden.
Die Ergebnisse zeigen klar, dass eine Kombinationstherapie von Psychotherapie mit Nefazodon im Vergleich zu Monotherapien die Angst am günstigsten beeinflusst.

 

Bei einer Minderheit von Patienten mit ausgeprägter Angstsymptomatik konnte jedoch auch für Nefazodon allein ein spezifischer Effekt auf Angstsymptome nachgewiesen werden, welcher der Psychotherapie überlegen war.

 

Die Ergebnisse der vorliegenden Studie mögen in ihrer Differenziertheit für den Facharzt durchaus von Interesse sein. Für den Grundversorger scheinen sie jedoch weniger relevant. Einerseits setzen die differenzierte Diagnostik und die angewendeten Therapieformen ein diagnostisches und therapeutisches Knowhow voraus, das kaum in der Praxis des Grundversorgers vorhanden ist. Zum andern handelt es sich in der vorliegenden Studie um chronisch-depressive Patienten, die mit Vorteil möglichst früh einer fachärztlichen Behandlung zugewiesen werden sollten.

 

Bemerkungen zum Studiendesign und Beschreibung

Aus der Publikation ist nicht ersichtlich, ob die Subgruppenanalyse ursprünglich vorgesehen war, oder aber erst post hoc durchgeführt wurde, um einen spezifischen anxiolytischen Effekt des Nefazodon zu belegen.

 

 

Besprechung von Dr. med. Michèle Schoep-Chevalley, Münsingen

J Clin Psychiatry 2002 May;63(5):434-41 - P. T. Ninan et al

14.02.2004 - dde

 
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