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Prostatakarzinom – eine Erkrankung von zunehmender Bedeutung

Trends in Früherkennung, Therapie und Prävention

Zusammenfassung

Das Prostatakarzinom ist der häufigste Tumor des Mannes und die zweithäufigste Todesursache maligner Genese. In den nächsten 20 Jahren wird sich die Anzahl der Männer über 60 Jahren in der Schweiz fast verdoppeln, daher wird dem Prostatakarzinom grosse gesundheitspolitische Bedeutung beigemessen.

 

Die Vorsorgeuntersuchung beim Prostatakarzinom bzw. das Screening ist Gegenstand intensiver Diskussionen. Neuere Daten zeigen, dass die individuelle Vorsorge lebensverlängernd ist.

 

In der operativen Therapie des Prostatakarzinoms besteht ein Trend zu minimal invasiven Behandlungen. Die laparoskopische radikale Prostatektomie hat sich in einigen grösseren Zentren etabliert, die Roboterchirurgie wird wegen hoher Kosten erst an wenigen Zentren angeboten. Die interstitielle Brachytherapie, zur kurativen Behandlung des Prostatakarzinoms, hat in den USA enorm an Bedeutung gewonnen und ist seit 2005 auch in der Schweiz kassenpflichtig.

 

Die Chemoprävention des Prostatakarzinoms wird kontrovers diskutiert, da durch 5a-Reduktase-Hemmer eine Senkung der Karzinominzidenz erreicht wird, dafür aber Tumore höheren Aggressivitätsgrades nachgewiesen werden.

 

Epidemiologie und Ausblick in die nahe Zukunft

Die Besonderheit beim Prostatakarzinom besteht darin, dass bei 40% der Männer über 50 Jahren latente Tumorzellverbände vorhanden sind, jedoch nur 8% daran erkranken. 3% der Männer sterben an diesem Karzinom, dies sind rund 1’500 Männer pro Jahr in der Schweiz.

 

Im Alter von 60-79 Jahren ist es die zweithäufigste Todesursache maligner Genese nach dem Bronchialkarzinom; bei Männern über 80 Jahren sind beide Tumoren gleich häufig als Todesursache. Als Risikofaktoren gelten die Rasse, familiäre Belastung, das Alter sowie fettreiche Ernährung.

 

Es ist zu erwarten, dass die Bedeutung des Prostatakarzinoms zunehmen wird: Die Lebenserwartung steigt, alleine die Anzahl der Männer über 60 Jahre in der Schweiz wird sich in den nächsten 20 Jahren fast verdoppeln. Diese Erkrankung wird daher bereits in naher Zukunft eine grosse gesundheitspolitische Bedeutung haben.

 

Stand der Früherkennung heute

Die Effektivität der Früherkennung beim Prostatakarzinom ist zum aktuellen Zeitpunkt nicht abschliessend belegt, wobei erste Hinweise zugunsten der Früherkennung bestehen. Effektivität ist nur dann bewiesen, wenn ein Zusammenhang zwischen Frühdetektion und Verminderung der Sterblichkeit schlüssig, mit akzeptabler Lebensqualität und Kosteneffektivität, festgestellt werden kann. Laufende Studien, deren Resultate in den nächsten Jahren erwartet werden, sollten Klarheit bringen [1].

 

In den meisten europäischen Ländern, Kanada und den USA werden jährliche Früherkennungsuntersuchungen empfohlen. Das Eintrittsalter in die jährliche Früherkennung liegt bei 50 Jahren; bei 45 Jahren, wenn eine familiäre Belastung mit einem Angehörigen ersten Grades (Vater, Bruder) besteht. Die letzte Früherkennung sollte mit 75 Jahren erfolgen.

 

Der «natürliche» Verlauf des lokal begrenzten Prostatakarzinoms ist langsam. Selbst bei Patienten, bei denen nach radikaler Prostatektomie die Erkrankung fortschreitet beträgt die Zeit vom ersten Anstieg des prostataspezifischen Antigens (PSA) im Serum bis zum Entstehen von Metastasen durchschnittlich 8 Jahre [2]. Bei Anwesenheit eines ungünstigen Malignitätsgrads (Gleason Ž 7) verkürzt sich diese Zeit auf 5 Jahre. Bei radikal operierten Patienten beträgt die durchschnittliche Zeit bis zu einem Anstieg des PSA-Wertes im Serum ungefähr 5 Jahre [3].

 

Das optimale Intervall, in dem eine Früherkennungsuntersuchung durchgeführt werden soll, kann erst nach Auswertung obengenannter randomisierter Studien festgelegt werden. Eine routinemässige Anwendung der jährlichen Untersuchung scheint gemäss verschiedener Daten nicht sinnvoll. Bei PSA-Bereichen von 0-2 ng/ml kann das Untersuchungsintervall auf zwei Jahre ausgedehnt werden [4]. Vorteil, neben der Kosteneinsparung, ist die Vermeidung einer unnötigen Beeinträchtigung der Lebensqualität der untersuchten Männer und deren Familien.

 

Die individuelle Vorsorge kann lebensverlängernd sein. Dies wird durch die Daten der prospektiv randomisierten Studie – Radikale Prostatektomie versus konservative Behandlung beim lokalisierten Karzinom – belegt. Schon nach einer medianen Verlaufsbeobachtung von 8.2 Jahren ist das Gesamtüberleben, das krankheitsspezifische Überleben, die Lokalrezidiv- und Fernmetastasierungsrate der operierten Patienten der konservativen Therapie signifikant überlegen [5]. Insbesondere Männer mit einer Diagnosestellung bis zum 65. Altersjahr profitierten von der Operation. Andere Autoren [6] analysierten die Resultate nach konservativer Therapie im Vergleich zur Strahlentherapie und radikalen Prostatektomie: Es zeigte sich innerhalb von 10 Jahren ein Vorteil für Patienten mit intermediärem Risiko (Gleason 6 und 7 Tumoren) sowie hohem Risiko (Gleason 8-10 Tumoren) sowohl für die Operation als auch für die Strahlentherapie, letztere war den Ergebnissen der Operation leicht unterlegen. Im Gegensatz dazu profitierten Patienten mit niedrigem Risikoprofil (Gleason 2-4) nicht von einer initialen Therapie. Unter konservativem Vorgehen zeigte diese Gruppe ein 15-Jahresüberleben von 95%, so dass kaum ein Vorteil durch eine Intervention zu erwarten wäre.

 

Das individuelle Risikoprofil jedes einzelnen Mannes bzw. Patienten wird vermutlich in Zukunft zum optimalen und ebenfalls individualisierten Abklärungs- und bzw. Therapieplan führen. Denn nur durch risikoadaptierte individuelle Behandlungsstrategien kann dem Einzelnen die für ihn beste Lösung massgeschneidert angeboten werden.

 

Trends in der operativen Therapie

Die operative Behandlung des lokalisierten Prostatakarzinoms hat sich in den letzten Jahren weiterentwickelt. Die radikale retropubische Prostatektomie hat durch eine standardisierte Operationstechnik eine tiefe Morbiditätsrate erreicht. Minimal invasive Operationsverfahren nehmen einen immer grösseren Stellenwert zur Therapie des lokalisierten Prostatakarzinoms ein: Die laparoskopische radikale Prostatektomie – 1992 erstmals beschrieben – hat sich mittlerweile an vielen grösseren Zentren als Operationsverfahren etabliert [7].

 

Auch die Roboterchirurgie gewinnt in der Medizin zunehmend an Bedeutung. Der Da Vinci®-Roboter ist ein etabliertes Telemanipulationssystem: Dieses setzt sich aus einer Steuerkonsole, an welcher der Operateur den gesamten Eingriff durchführt, und einem beweglichen Stativ, mit drei bis vier Armen für Instrumente und Kamera, zusammen.

 

Zahlen aus den USA belegen, dass die sog. interstitielle Brachytherapie als weitere minimal invasive Therapiemethode für das lokalisierte Prostatakarzinom enorm an Bedeutung gewinnt [8]. Bei dieser Behandlungsmethode werden kleinste radioaktive Strahler (sog. Seeds, Abb. 1) von perineal direkt in die Prostata implantiert (Abb. 2). Gerade für Tumoren mit niedrigem und mittlerem Risikoprofil sind die onkologischen Resultate sehr gut und entsprechen denjenigen der radikalen Prostatektomie [9]. Diese Therapiemethode ist vom Schweizerischen Bundesamt für Gesundheit als Leistungspflicht in Evaluation anerkannt und ist seit 2005 kassenpflichtig.

 

Chemoprävention - Realität oder Utopie?

Die Androgenabhängigkeit des Prostatakarzinoms hat zur intensiven Erforschung des Androgenmetabolismus als Risikofaktor geführt. Obwohl der Nachweis einer Abhängigkeit zwischen Testosteronspiegel und der Prostatakarzinominzidenz noch aussteht, scheint eine Abhängigkeit zwischen der 5a-Reduktase-Aktivität und dem Prostatakarzinomrisiko zu bestehen [10].

 

Das Enzym 5a-Reduktase liegt in zwei Isoformen vor: Typ 2 ist die vorherrschende Form in normalem Prostataepithel und bei benigner Prostatahyperplasie. Typ 1 scheint v.a. in Prostatakarzinomzellen vorzukommen. Finasterid, ein Inhibitor der Typ-2-5a-Reduktase, wurde eine chemopräventive Wirkung zugeschrieben, während die Wirkung von Dutasterid, einem Inhibitor beider Isoformen, aktuell untersucht wird. Im «prostate cancer prevention trial» (PCPT) wird die chemopräventive Wirkung von Finasterid versus Placebo bei 18’882 Männern untersucht. Es bestand eine signifikante Senkung der Prostatakarzinominzidenz in der Finasterid-Gruppe um 25% gegenüber Placebo, allerdings häuften sich in der Finasterid-Gruppe die agressiveren Gleason 7-10 Prostatakarzinome, so dass der Stellenwert dieser Therapie noch unklar ist [11,12].

 

Dr. med. Stephen F. Wyler, Oberarzt, Urologische Klinik, Universitätsspital Basel

 

Referenzen

1. de Koning HJ, Auvinen A, Berenguer SA, Calais da SF, Ciatto S, Denis L, Gohagan JK, Hakama M, Hugosson J, Kranse R, Nelen V, Prorok PC, Schroder FH. Large-scale randomized prostate cancer screening trials: program performances in the European Randomized Screening for Prostate Cancer trial and the Prostate, Lung, Colorectal and Ovary cancer trial. Int J Cancer 2002;97:237-244.
2. Pound CR, Partin AW, Eisenberger MA, Chan DW, Pearson JD, Walsh PC. Natural history of progression after PSA
elevation following radical prostatectomy. JAMA 1999;281:1591-1597.
3. van den OD, Hop WC, Kranse R, Schroder FH. Tumour control according to pathological variables in patients treated by radical prostatectomy for clinically localized carcinoma of the prostate. Br J Urol 1997;79:203-211.
4. Carter HB, Epstein JI, Chan DW, Fozard JL, Pearson JD. Recommended prostate-specific antigen testing intervals for the detection of curable prostate cancer. JAMA 1997;277:1456-1460.
5. Bill-Axelson A, Holmberg L, Ruutu M, Haggman M, Andersson SO, Bratell S, Spangberg A, Busch C, Nordling S, Garmo H, Palmgren J, Adami HO, Norlen BJ, Johansson JE. Radical prostatectomy versus watchful waiting in early prostate cancer. N Engl J Med 2005;352:1977-1984.
6. D'Amico AV, Moul J, Carroll PR, Sun L, Lubeck D, Chen MH. Cancer-specific mortality after surgery or radiation for patients with clinically localized prostate cancer managed during the prostate-specific antigen era. J Clin Oncol 2003;21:2163-2172.
7. Rassweiler J, Stolzenburg J, Sulser T, Deger S, Zumbe J, Hofmockel G, John H, Janetschek G, Fehr JL, Hatzinger M, Probst M, Rothenberger KH, Poulakis V, Truss M, Popken G, Westphal J, Alles U, Fornara P. Laparoscopic radical prostatectomy--the experience of the German Laparoscopic Working Group. Eur Urol 2006;49:113-119.  
8. Cooperberg MR, Lubeck DP, Meng MV, Mehta SS, Carroll PR. The changing face of low-risk prostate cancer: trends in clinical presentation and primary management. J Clin Oncol 2004;22:2141-2149.
9. Sharkey J, Cantor A, Solc Z, Huff W, Chovnick SD, Behar RJ, Perez R, Otheguy J, Rabinowitz R. 103Pd brachytherapy versus radical prostatectomy in patients with clinically localized prostate cancer: a 12-year experience from a single group practice. Brachytherapy 2005;4:34-44.
10. Ross RK, Bernstein L, Lobo RA, Shimizu H, Stanczyk FZ, Pike MC, Henderson BE. 5-alpha-reductase activity and risk of prostate cancer among Japanese and US white and black males. Lancet 1992;339:887-889.
11. Thompson IM, Goodman PJ, Tangen CM, Lucia MS, Miller GJ, Ford LG, Lieber MM, Cespedes RD, Atkins JN, Lippman SM, Carlin SM, Ryan A, Szczepanek CM, Crowley JJ, Coltman CA, Jr. The influence of finasteride on the development of prostate cancer. N Engl J Med 2003;349:215-224.
12. Thompson IM, Klein EA, Lippman SM, Coltman CA, Djavan B. Prevention of prostate cancer with finasteride: US/European perspective. Eur Urol 2003;44:650-655.

 

 
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